Gäste aus Armenien | 2023

Foto: M. Spritzendorfer-Ehrenhauser

Begegnungen, die bewegen! Im April und Mai 2023 waren Expert:innen aus Armenien in Österreich und inspirierten uns mit ihrem Engagement für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

Armenien ist ein Land von großem kulturellem und geschichtlichem Reichtum und voller Potentiale. Wussten Sie, dass das armenische Alphabet als eines der hochentwickeltsten der Welt gilt, die Hauptstadt Jerewan älter als Rom und das Land die Heimat der Marille ist? Hier befinden sich außerdem die älteste Kirche und die ältesten Schuhe der Welt. Ein Genozid zu Beginn des 20. Jahrhunderts löschte das Volk beinahe aus und ist Grund dafür, dass heute mehr Armenier:innen in der Diaspora leben als im eigenen Land.

Eine weitere Folge des Völkermords sind die wortwörtlich begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten des Landes: wegen andauernder Konflikte mit den Nachbarstaaten Türkei und Aserbaidschan sind 1307 Kilometer, also über 80% der Landesgrenzen geschlossen. Zusätzlich machen klimatische Veränderungen ein Handeln und die Weichenstellung für eine nachhaltige Zukunft dringend erforderlich. Bei diesen vielfältigen Herausforderungen braucht es Mut, Engagement und Begeisterungsfähigkeit, um aktiv die Zukunft der Gesellschaft zu gestalten. Einzelne Menschen, die Initiative ergreifen, machen hier den Unterschied.

Green Lane – Green Training Center Yerevan

Green Lane ist eine NGO, deren Ziel es ist, den Bäuer:innen der Region zu helfen, die landwirtschaftliche, ökologische Produktion zu verbessern und gesunde und sichere Lebensmittel herzustellen. So werden Einkommen und Lebensstandard der Green Lane-Mitgliedsbäuer:innen und ihrer Familien erhöht. Das ”Green Center for Teaching” bietet Landwirt:innen und Studierenden Fortbildungsmöglichkeiten, sie experimentieren im großen Schaugarten mit nicht-traditionellen Gemüse- und Obstsorten wie Artischocke, Kiwi, Papaya, Schnittlauch und verkaufen die eigenen Produkte im Shop. Jeden September veranstaltet Green Lane das “Harvest Festival”, das die nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft und in ländlichen Gemeinden in Armenien fördert. Das “Erntefest – für ländliches Leben und Tradition” ist eine einzigartige Plattform für Bäuer:innen, Einkäufer:innen und verschiedene Organisationen zum Treffen und Erfahrungsaustausch.

Mariam Mardanyan begann nach dem Studium der Agrarökonomie bei Green Lane zu arbeiten. Sie befasst sich mit alternativen Anbaumethoden und neuen Pflanzensorten, um die Landwirtschaft in Armenien für die Zukunft zu wappnen. Ihr Wissen gibt sie in Trainings an interessierte Bäuer:innen weiter.

 

Ich wurde natürlich von meinen Eltern beeinflusst, da ich von Anfang an in der Landwirtschaft meiner Eltern mithalf. Es war zwar harte Arbeit, aber es war immer lustig, wenn wir alle gemeinsam als große Familie am Feld unterwegs waren. Durch den Klimawandel wird die Arbeit immer schwieriger. Es gibt leider noch kaum Bewusstsein für die kommenden Veränderungen und Herausforderungen.

Vahram Matosyan ist Agrarwissenschaftler und arbeitet seit vielen Jahren mit Green Lane im Norden des Landes zusammen. Er organisiert Workshops und entwickelt gemeinsam mit Gemeinden Förderanträge. Er gibt sein Wissen über nachhaltige Landwirtschaft und innovative Technologien wie Mulchen, Tröpfchenbewässerung und Anti-Hagel-Systeme an mehr als 360 Menschen in den Regionen Tavush, Shirak und Lori Marz weiter.  

Es ist mir eine Freude, die Menschen jeden Tag zu beraten, wie sie hochwertige Pflanzen anbauen und ihre Erträge steigern können. Ich kultiviere mehr als 100 traditionelle und nicht-traditionelle Pflanzen für unsere Schaugärten im Green Training Center. Es macht mir Spaß, meine Erfahrungen und Erfolgsgeschichten über nachhaltige Landwirtschaft mit jungen Menschen zu teilen, um ihnen Fähigkeiten und Fertigkeiten für ihre Zukunft zu vermitteln. 

CARITAS Gyumri

Aufgrund der deutlich spürbaren Klimaänderungen gewinnen Aktivitäten rund um die Umweltarbeit der Caritas Armenien mehr und mehr an Bedeutung. Ausbildungskurse für Solartechnik in den ländlichen Gebieten, wo traditionell Gasflaschen oder Kuhdung zum Heizen verwendet werden, bedeuten eine neue Einkommensquelle für mittlerweile 30 Personen. Sie wurden ausgebildet, um die Systeme auf private Gebäude und öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Gemeindezentren zu installieren und zu warten. Gemeinsam mit dem Bildungsministerium werden Kinder und Jugendliche zwischen 12-17 Jahren an Schulen zu Multiplikator:innen zum Thema Klimawandel, Wasser- und Luftverschmutzung ausgebildet. Durch Peer-to-peer-education wird ihr Wissen in den nächsten zwei Jahren insgesamt 4000 Kinder und Jugendliche erreichen. Zusammen mit der Caritas Österreich wird zurzeit die Ökobriketts-Herstellung aus Stroh erprobt und 6 kleine Fonds zur Umsetzung lokaler Initiativen mit “grünen Ideen” runden die Kampagne zur Klima-Bewusstseinsbildung ab.

So ist auch Armen Martirosyan immer öfter in die vielfältigen Klima-Maßnahmen der Caritas involviert, unter anderem in die Katastrophenvorsorge. Seine Tätigkeit begann der heutige Leiter eines Caritas-Tageszentrums für Senior:innen 2004 als Freiwilliger. Die Schöpfungsverantwortung ist ihm in seiner Arbeit ein großes Anliegen:

 

Der Klimawandel gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es ist eine Kettenreaktion – die Bauern verlieren durch häufiger auftretende Katastrophen die Erträge aus den Ernten und haben damit immer weniger Geld für ihre Familien, für Bildung oder Gesundheit. Der Klimawandel muss die Leute zum Umdenken bewegen. Es ist doch in meinem eigenen Interesse, die Natur zu bewahren und eine Verpflichtung, sie für kommende Generationen zu erhalten. “Laudato si” von Papst Franziskus ist eine große Inspiration für mich.

Armenia Tree Project

Die Organisation ATP setzt sich für die wirtschaftliche, soziale und umweltverträgliche Entwicklung Armeniens ein. Die Schwerpunkte der Arbeit sind Wiederaufforstung und Baumvermehrung im waldarmen Armenien. Die NGO führt unverzichtbare Umweltprojekte in Armenien und Bergkarabach durch und hat seit 1994 über 7 Millionen (!) Bäume gepflanzt. Ihre Mission ist es, den Armenier:innen Bäume als schützenswerte und nützliche Ressource näher zu bringen, um die Lebenssituation zu verbessern und einen maßgeblichen Beitrag zum globalen Umweltschutz zu leisten. ATP wird unter anderem von der EU finanziert und verwebt Bildung und Sensibilisierung in all seinen Programmen. Ziel ist es, die junge Generation zu Umweltschützer:innen auszubilden, die sich um die heute gepflanzten Bäume kümmert und ein starkes Bewusstsein für Themen rund um Klimawandel, Wasserressourcen, Entwaldung, Verlust der biologischen Vielfalt, Recycling und Abfallwirtschaft hat.

Izabel Shatoyan studierte Politikwissenschaften und ist Leiterin des Umweltbildungsprogramms von ATP. Sie koordiniert 33 Öko-Clubs und unterstützt Lehrer:innen und Studierende in der Umsetzung von lokalen Umwelt- oder Gemeindeentwicklungsprojekten oder der Beantragung von Fördermitteln.

 

Heute sind wir mit vielen Umweltproblemen konfrontiert, hauptsächlich aufgrund des geringen Bewusstseins und des fahrlässigen Verhaltens der Menschen. Voraussetzung dafür, angemessene Lösungen für solche Probleme zu finden und das Verhalten zu ändern, ist Aufklärung und Sensibilisierung. Bei ATP unternehmen wir alle Anstrengungen, um Umweltwissen unter Schüler:innen und Erwachsenen zu verbreiten und sie als verantwortungsbewusste Bürger:innen zu stärken. Die Veränderung, die wir anstreben, kann nur durch uns selbst kommen.